Dorothea Perkusic – Publikationen

Exhibitionismus – Was treibt die Täter an und warum sind es meistens Männer?

Was treibt einen Exhibitionisten aus psychologischer Sicht an? Und warum sind meistens Männer die Täter? Therapeutin Dorothea Perkusic spricht im Interview mit rosenheim24.de über Exhibitionismus:

Gerade in den Sommermonaten häufen sich die Meldungen zu exhibitionistischen Handlungen. Allein in den letzten Wochen veröffentlichte die Polizei mehrere Vorfälle von Exhibitionismus in der Region. 

Exhibitionistische Handlungen in der Region häufen sich im Sommer

Im Zug von Kufstein nach Rosenheim belästigte ein 40-Jähriger eine 17- und ein 19-jähriges Mädchen. Der Mann scheint ein Serientäter zu sein. In München wurden gleich zwei Exhibitionisten an einem Tag festgenommen, darunter ein Mann aus Bad Aibling, der auf einem Spielplatz onanierte. In Altötting belästigte ein Mann auf dem Fahrrad mehrere Frauen sexuell. Am 20. Juli wurde eine Frau in Neuötting festgenommen, nachdem sie direkt vor Kindern masturbiert hatte.

Was treibt die Täter*innen aus psychologischer Sicht an? Warum sind meistens Männer die Täter? Und welche Hilfsangebote gibt es für Betroffene? Therapeutin Dorothea Perkusic gibt im Gespräch mit rosenheim24.de Antworten auf diese Fragen:

Therapeutin Dorothea Perkusic im Interview über Exhibitionismus

rosenheim24.de: Jahr für Jahr vermeldet die Polizei vor allem in den Sommermonaten, dass an den heimischen Gewässern Exhibitionisten auftreten. Was treibt einen Exhibitionisten aus psychologischer Sicht an? Was läuft bei diesen Menschen “schief“?

Dorothea Perkusic: Unter Exhibitionismus versteht man den Drang, die eigenen Genitalien vor anderen, meist gegengeschlechtlichen Personen, ohne deren Einverständnis in der Öffentlichkeit zu entblößen. Das Zeigen der Geschlechtsteile ist in der Regel von sexueller Erregung begleitet. 

In manchen Fällen befriedigen sich die Exhibitionisten auch selbst. Das Hauptziel ist hierbei der Überraschungsmoment, der vielen Tätern bereits Befriedigung verschafft, denn sie wollen in erster Linie schockieren. Für gewöhnlich greifen Exhibitionisten keine Personen körperlich an und wünschen meist auch keinen Kontakt zu diesen. Vielmehr besteht die Absicht, durch das plötzliche, überfallartige Agieren, den Opfern eine Reaktion des Erstaunens oder des Erschreckens zu entlocken. 

Diese Reaktionen werden als Anerkennung fehlgedeutet. Der Täter versucht sozusagen mithilfe eines fremden Opfers seinen eigenen Selbstwert zu verbessern. Der Drang, sich nackt zur Schau zu stellen oder sich vor den Opfern selbst zu befriedigen, ist meist zwanghaft. Man geht davon aus, dass Exhibitionismus psychischer Natur ist, allerdings ist dies bislang nicht eindeutig geklärt. 

Als mögliche Ursachen kommen eine Störung der sexuellen Identität sowie der Wunsch nach Aufmerksamkeit und Störungen hinsichtlich der Kontaktfähigkeit in Frage. Der Täter schließt aus der Heftigkeit der Reaktion seines Opfers auf den Eindruck, den sein Genital hinterlassen haben muss.

rosenheim24.de: Auch wenn wir aktuell den ersten Fall einer Exhibitionistin hatten, sind es eigentlich immer Männer, die derart in Erscheinung treten. Warum?

Dorothea Perkusic: Exhibitionismus ist tatsächlich ein eher „männliches“ Phänomen. Es gibt nur wenige Frauen, bei denen eine exhibitionistische Störung diagnostiziert wird. Dies dürfte insbesondere daran liegen, dass Männer im Vergleich zu Frauen, eher nicht erschrecken oder davonlaufen, wenn sich eine Frau vor Ihnen entblößt. 

Es gibt auch vergleichsweise wenige Männer, die von Frauen vergewaltigt werden. Frauen ängstigen sich also aus gutem Grund mehr davor, einem nackten Mann im Park zu begegnen als umgekehrt. Es geht häufig um Machtgefälle Frauen geben sich eher auf andere Art exhibitionistisch. Unter anderem im digitalen Bereich, beispielsweise durch das zur Schau stellen im Bikini oder durch das Verschicken anzüglicher oder eindeutiger Bilder. 

Exhibitionismus umfasst also im erweiterten Sinne nicht nur das sich Entblößen um zu erschrecken, sondern auch zahlreiche andere Formen der Selbstdarstellung. Bei der Unterscheidung der Intention muss man jedoch den ganzen Fall beleuchten. Nachdem die Frau in besagtem, aktuellen Fall sich gezielt übergriffig vor hilflosen Kindern entblößte, dabei masturbierte und vermutlich Erregung empfand, handelt es sich hierbei nicht um Exhibitionismus, sondern um Pädophilie. Dies gilt es klar zu unterscheiden!

rosenheim24.de: Was raten Sie Männern und Frauen, die diese exhibitionistischen Neigungen verspüren?

Dorothea Perkusic: Die Behandlung von Exhibitionisten beginnt in der Regel leider, wenn überhaupt, meist erst mit einer Verhaftung. Eine eigene Einsicht, sich in Behandlung zu begeben ist häufig nicht vorhanden, da die Täter damit argumentieren, dass sie sich ja bloß zeigen wollen. Der Trieb ist meist stärker als die Einsicht oder der Wille zur Veränderung. 

Grundsätzlich kann ich natürlich jedem Exhibitionisten nur eine Therapie bei einem fachlich kompetenten Sexualtherapeuten*in empfehlen. Auch der Weg in eine Selbsthilfegruppe ist sinnvoll.

Die Bereitschaft Hilfe in Anspruch zu nehmen, erfordert meist erst einen erheblichen persönlichen Leidensdruck. Man kann nur jedem Exhibitionisten bitten, an die Folgen zu denken, die Opfer durch den meist unter großer Angst empfunden Schock erleiden. Gerade bei Kindern kann das weitreichende und nachhaltig verstörende, traumatische Konsequenzen haben. Und auch bei erwachsenen Personen ist dies nicht zu unterschätzen.

Frau Perkusic, vielen Dank für das Gespräch!