Dorothea Perkusic – Publikationen

Gefühle weg, was nun?

In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können Sie Dorothea Perkusic unter dem Betreff „Liebesfragen“ Ihre Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Jeder Ratsuchende bekommt von der Einzel- und Paartherapeutin eine persönliche Antwort. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.

Die heutige Liebesfrage:

Mein Mann und ich sind seit drei Jahren verheiratet, seit zwölf Jahren ein Paar und haben eine drei Monate alte Tochter. Wir sind bereits im Jugendalter zusammen gekommen.

Jetzt hat mir mein Mann offenbart, dass seine Gefühle wohl nicht mehr ausreichen. Meine Liebe ist noch groß, daher möchte ich wissen, was ich tun könnte, damit wir wieder ein Liebespaar werden können anstatt nur Eltern zu sein? Zweisamkeit ist derzeit wegen unserer kleinen Tochter einfach schwierig. Ich habe sehr viel Angst vor einer Trennung / Scheidung und vor allem davor, die Liebe meines Lebens zu verlieren.

Dorothea Perkusic:

Das tut mir sehr leid für Sie. Noch dazu in Ihrer Situation, gerade erst Mutter bzw. Eltern geworden zu sein, trifft Sie dies natürlich besonders hart. Sie müssen alle Ihre Liebe in Ihr Baby investieren, es rund um die Uhr hingebungsvoll versorgen, wollen dies auch genießen, in die für Sie völlig neue Situation hineinwachsen und gleichzeitig Angst davor haben, in dieser anspruchsvollen Situation Ihren Mann zu verlieren.

Dass Zweisamkeit so kurz nach der Geburt eines Kindes schwierig bis unmöglich ist, ist völlig verständlich und normal. Schließlich braucht Ihre Tochter all Ihre Kraft, Zeit und Aufmerksamkeit. Ein so kleines Baby bereits regelmäßig abzugeben, ist dadurch fast unmöglich. Somit sind Sie in einer Zwickmühle, die Verständnis und Rücksichtnahme verdient. Ich kann Ihre Ängste absolut nachvollziehen.

Die Frage ist, seit wann Ihr Mann bemerkt, dass sich an seinen Gefühlen etwas verändert hat und diese abgenommen haben und ob es dafür nennbare Gründe gibt. Hängt dies mit der Schwangerschaft oder Geburt Ihres Kindes zusammen oder ist es ein schleichender Prozess gewesen? Darüber müssen Sie unbedingt miteinander sprechen um eine Lösung finden zu können. Denn so tappen Sie im Dunkeln und sehen sozusagen gar nichts mehr, geschweige denn, dass Sie die Gegebenheiten verstehen oder verändern könnten. 

„Sie verdienen es auf Händen getragen zu werden“

Nehmen Sie sich soweit möglich Zeit für Gespräche. Wenn es auch jeden Tag nur zehn Minuten sind, in denen Sie sich sagen, wie es Ihnen geht und was Sie fühlen und brauchen. Nehmen Sie sich gegenseitig mit all dem Schmerz ernst und hinterfragen Sie die Gründe. Ich gehe davon aus, dass auch Ihr Mann nicht leichtfertig die Beziehung beenden möchte und seine Beweggründe haben wird, die dazu geführt haben, dass er so empfindet oder Gefühle nicht wahrnehmen kann. Auch für Männer verändert sich die Beziehung mit der Geburt eines Kindes radikal. Die Exklusivität der Partnerschaft wackelt und tritt in den Hintergrund, das ist nicht einfach. Gerade Männer haben oft zu kämpfen damit, dass die Aufmerksamkeit und Liebe der Frau sich plötzlich auf noch einen anderen Menschen fokussiert. 

Die Gefühlslage Ihres Mannes verdient Beachtung. Auch wenn es wünschenswert wäre, dass er sich in dieser Zeit anders verhalten könnte, ist er nicht gleich in eine Schublade zu stecken und zu verachten. Dennoch sollten Sie sich nicht zerreissen. Sie verdienen es auf Händen getragen zu werden. Denn Sie haben großartiges geleistet. Sie haben der Liebe Ihres Lebens eine Tochter geschenkt, diese ausgetragen und geboren und kümmern sich mit vollem erforderlichem Einsatz von Herz, Körper und Seele. Sie beide sind damit nicht mehr nur für sich selbst verantwortlich sondern gerade jetzt insbesondere für das Wohl dieses kleinen Wesens, das auf Sie angewiesen ist. Das ist nicht nur notwendig und schön, sondern kann auch schmerzen. 

Gemeinsam ein Ziel stecken

Die ersten Monate und Jahre mit einem Kind sind, so wunderschön und zauberhaft sie auch sind, dennoch immer eine große Herausforderung für die Eltern und auch für die Beziehung und längst ist nicht alles nur eitel Sonnenschein. Es ist ein immer währender Balanceakt darauf zu achten, dass dabei nichts und niemand auf der Strecke bleibt. Versuchen Sie, sich gemeinsam ein Ziel zu stecken. Etwas worauf Sie beide sich freuen können und was Raum für Sie beide als Paar gibt. Vielleicht hat Ihr Mann einfach Angst, dass nun nichts mehr jemals so wird, wie es einmal war. Diese Sorge ist berechtigt und entspricht der Realität, so hart dies auch klingen mag. Sie werden nie mehr allein sein, denn Sie haben mit der Entscheidung für Ihr Kind auch eine Entscheidung für eine gravierende Veränderung getroffen. Diese gilt es nun gemeinsam zu entwickeln und neue Perspektiven zu schaffen. 

Kinder und Familie sind in meinen Augen heilig. Was nicht heißt, dass man um jeden Preis an einer unglücklichen Partnerschaft festhalten sollte. Manchmal ist der Preis zu hoch. Aber es gilt, diesen Wert zu achten und zu schätzen und nicht leichtfertig aufzugeben, nur weil es gerade schwierig ist. Bitten Sie Ihren Mann, nichts unversucht zu lassen, sofern er noch ein wenig Interesse an der Beziehung hat. Gefühle verändern sich. So schnell wie sie manchmal weggepackt und verschwunden sind, so schnell können sie auch wieder aufflammen und wachsen. Nicht immer, aber ich würde sagen, Sie beide sollten Ihre Situation erstmal klären.

Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute!

DORO'S U-21

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