Dorothea Perkusic – Publikationen

INTERVIEW – Kostenlose Sprechstunde: Wenn Jugendliche nicht mehr weiter wissen

Streit mit den Eltern, Stress in der Schule, Liebeskummer – Jugendliche haben auf ihrem Weg zum Erwachsenen mit vielen Sorgen zu kämpfen. Social-Media und Internet überfordern Teenager heutzutage zusätzlich, sie sehen oft keinen Ausweg aus ihren Problemen. Ein offenes Ohr finden sie in der Jugendsprechstunde Doro‘s U21. Die Rosenheimer Familien- und Sexualtherapeutin Dorothea Perkusic berät hier Jugendliche und junge Erwachsene kostenlos in allen Lebens- und Liebesfragen.

Frau Perkusic, unsere Leser kennen Sie bereits von den „Liebesfragen“. In Ihrer Praxis für Einzel- und Paartherapie, Familientherapie und Sexualtherapie gibt es seit einiger Zeit eine kostenlose Sprechstunde für Jugendliche. Eine großartige Sache! An wen genau richtet sich Ihr Angebot und worum geht es dabei?

Dorothea Perkusic: Meine offene Sprechstunde „DORO’S U21“ ist ein Angebot an Jugendliche und junge Erwachsene bis 21 Jahre, die Probleme haben oder nicht weiter wissen und keine „normalen“ Sitzungen in meiner Praxis wahrnehmen können, weil sie sich diese nicht leisten können. Es ist mir schon seit langer Zeit eine Herzensangelegenheit, jungen Menschen die Möglichkeit zu bieten, bei mir um Rat zu fragen, mir ihr Herz auszuschütten und für komplizierte Lebenslagen gute Lösungen finden zu können. Unkompliziert und auf ungezwungen liebevolle, humorvolle, offene Art und Weise, biete ich die Möglichkeit, sich mit den oft vielseitigen und anspruchsvollen Problemen, die das Erwachsenwerden mit sich bringt, an mich zu wenden.

Wie ist Ihre Idee dazu entstanden?

Ich habe in meiner Praxis zunehmend auch mit sehr jungen Menschen zu tun, die so mutig sind, sich Hilfe zu suchen, wenn sie nicht mehr weiter wissen. Die müssen sich dann einen Termin bei mir oft hart ersparen und das tut mir immer leid. Auch gerade über die „Liebesfragen“ kommen mehr und mehr Fragen in den Bereichen Liebe und Sex von jungen Menschen. Leider ist es mir nicht möglich alle Fragen zu beantworten und manchmal ist es mit einer schriftlichen Antwort einfach nicht getan. Wo ein oder zwei Impulse nicht ausreichen, muss man etwas mehr ins Detail und in die Tiefe gehen und intensiver begleiten. Dann nicht wirklich helfen zu können, stellt mich nicht zufrieden. Ich habe soviel Respekt vor dem Mut junger Menschen, sich mit ihren Themen zu öffnen und will niemanden im Regen stehen lassen. So habe ich irgendwann begonnen, einen Schirm aufzuspannen und den ein oder anderen in meine Praxis zu Terminen einzuladen, um besser helfen zu können. Das Angebot wird mittlerweile sehr gut angenommen und macht mir sehr viel Freude. Die Arbeit mit jungen Menschen ist besonders und speziell, da braucht es viel Liebe und Verständnis, Leichtigkeit und ein feines Gespür. Da bildet sich ja alles noch aus und häufig sind Jugendliche schon so manipuliert und überangepasst. Das macht mich wirklich traurig zu sehen. Dann befreiende Wege aufzeigen zu können und zu vermitteln „du bist ok, wunderbar und einzigartig“ und „es gibt eine Lösung“ ist eine echte Aufgabe, die mich glücklich macht!

Denken Sie, dass junge Menschen heutzutage mehr Probleme haben als früher?

Die Probleme sind nicht unbedingt mehr geworden aber anders. Die Entwicklung vom Kind zum Jugendlichen und dann zum Erwachsenen war noch nie leicht. Jeder Umbruch im Leben ist anstrengend und eine Herausforderung. Die Probleme haben sich in unserer schnelllebigen und reizüberfluteten Zeit stark verändert. Orientierungslosigkeit, Süchte und Verwirrungen in der Identität und Sexualität haben zugenommen. Und auch durch die veränderten Rollenbilder hat sich viel verändert, einfach weil Eltern oft nicht so präsent sein können oder einfach überfordert sind und Kinder schon mit sechs Monaten in der Kita landen. Vielen fehlt einfach der Halt und etwas Zeit, ein offenes Herz und zwei aufmerksame Ohren mit denen sie ernst genommen werden.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Nehmen wir mal die Sexualität als Beispiel, das betrifft im Übrigen auch nicht nur junge Menschen, sondern nahezu alle jeder Alterskategorie. Wenn wir früher etwas über Sex erfahren wollten, haben wir die Bravo gelesen, wo vom Dr. Sommer-Team etwas Licht ins Dunkel gebracht wurde. Oder wir mussten schamhaft und vermeintlich inkognito in einer Videothek in den Keller schleichen, um uns einen Porno auszuleihen. In der Hoffnung, dass alle anderen Anwesenden sicher davon ausgehen, dass wir in der Ecke der Actionfilme ab 18 suchen und die Angestellten sich nicht, gepaart mit Kopfkino, dafür interessieren, was wir uns ansehen werden.

Heutzutage sind Pornos überall, jederzeit und meist viel zu früh für jeden frei verfügbar. Kinder schauen sich an ihren Handys die ersten Filme an. Und da in dem Alter noch keiner reif genug ist und eine Ahnung hat, wie der Hase läuft, was einem selbst gefällt und wie es sein „muss“, gehen die dann davon aus, dass das, was sie sehen „normal“ ist und dass es genauso sein muss. Es stellt sich also gar nicht die Frage, ob einem das gefällt und gut tut, was der Körper braucht und ob sich die Seele dafür bereit fühlt. Sondern man meint, einfach funktionieren und abliefern zu müssen. Allzeit bereit zu allem, um nicht als verklemmt zu gelten und um anerkannt zu werden. Die meisten erlernen also eine generell und für sie persönlich komplett falsche Sexualität. Daraus entsteht Leid, Verunsicherung, Rückzug, Scham und letztlich ein Missbrauch am eigenen Körper und der zarten Seele. Das ist ein echtes Problem und kann fatale bis traumatische Auswirkungen haben. Dazu kommen dann Alkohol und vielleicht auch Drogen. Die gibt es ja längst auf jedem Pausenhof, da machen sich Eltern und Erwachsene oft gar keine Vorstellung davon. Dann noch ein bisschen Ärger zu Hause und schon ist alles unfassbar schwer, die Verzweiflung immens und die Situation erscheint ausweglos.

Warum wenden sich junge Menschen an Sie?

Es klafft eine große Lücke zwischen dem Elternhaus, Beratungsstellen und Psychotherapeuten, gerade für junge Menschen. Jugendliche können und wollen sich nicht mit allen Themen und Nöten an ihre Eltern wenden. Gerade über Sexualität und schambesetzte Probleme, Unsicherheiten und Fragen können die meisten nicht mit den Eltern sprechen. Und zu einer Beratungsstelle zu gehen oder gar zum Therapeuten, ist für viele mit einer großen Hemmschwelle verbunden und der Angst „gestört“ oder krank zu sein. Ich versuche hier ein Bindeglied zu sein und auf leichte, zugängliche Art und Weise eine Plattform zu bieten, locker und offen die individuellen Themen ansprechen und lösen zu können.

Mit welchen Problemen können sich junge Menschen an Sie wenden?

Grundsätzlich mit allen vielseitigen Themen und Problemen die das Erwachsenwerden und -sein so mit sich bringt! Liebe, Sex und Unsicherheiten oder schlechte Erlebnisse in diesen Bereichen, schwierige oder verletzende Freundschaften, Alkohol und Drogen, Stress zu Hause in der Familie und mit den Eltern, Mobbing. Schwierigkeiten in der Schule, der Ausbildung oder im Job. Identitätskrisen, also herauszufinden wer man ist, ob man „normal“ ist, was einen ausmacht und ob man das auch „darf“ . Damit setzen wir uns gemeinsam auseinander und finden individuelle Lösungen, die bestmöglich helfen, mehr Klarheit und Frieden im Innen und Außen zu schaffen. Antworten zu finden ist grundlegend wichtig, um einen stabilen Selbstwert entwickeln zu können. Noch dazu, wo gerade junge Menschen so stark beeinflusst sind von Social Media Kanälen und natürlich auch dem, was sie im familiären und sozialen Umfeld geprägt hat. Einfach zu allen Bereichen, über die geredet werden möchte.

Wie genau nennt sich Ihre Sprechstunde und wie oder wann können sich Interessierte anmelden?

Die Sprechstunde heißt: „Kiffen, Saufen, Porno – Liebe, Sex, Erwachsenwerden – die offene Sprechstunde für Menschen bis 21“. Die Anmeldung erfolgt einfach über das Kontaktformular auf meiner Webseite oder gerne auch telefonisch. Momentan vergebe ich zeitlich unterschiedliche Termine wenn ich Lücken im Kalender habe oder auch mal in meiner Mittagspause und Samstags. Geplant ist, die Sprechstunde zeitnah an einem festen Tag in der Woche einzurichten. Ich kriege dabei Unterstützung von einer Kollegin, damit wir möglichst viel anbieten können.

Ihr Angebot richtet sich an junge Menschen, die sich die normalen Sitzungen nicht leisten können. Was bedeutet das und wie hoch sind die Kosten dafür?

Das Angebot ist grundsätzlich kostenlos beziehungsweise auf Spendenbasis. Ich habe im Eingangsbereich eine Box aufgestellt, in die jeder, der kann und möchte, anonym einen kleinen Betrag einwerfen darf. Jeder was es ihm wert ist und was eben möglich ist.

Wie lange dauert so ein Termin und kann man auch öfter Termine wahrnehmen?

Pro Person nehme ich mir vorerst 20 Minuten bis eine halbe Stunde Zeit und dann sehen wir weiter, was es braucht. Jeder darf so oft kommen, wie es eben nötig ist.

Ein tolles Projekt! Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Ich freue mich über die Zukunft dieses Projekts, denn es ist und bleibt einfach so, dass in unseren Kindern unsere Zukunft liegt. Um die Sprechstunde weiter ausbauen zu können, bin ich derzeit auf der Suche nach Sponsoren, die dieses Projekt unterstützen können und möchten. Wer daran interessiert ist, soll sich gerne bei mir melden um ein geeignetes, vertrauensvolles Modell finden zu können. Ich würde mich darüber sehr freuen! Ich möchte mich an dieser Sprechstunde nicht bereichern, kann es jedoch kostenlos nur in einem überschaubaren Umfang anbieten, da ich natürlich selbst auch noch rechnen muss. Daher ist es wichtig, eine Möglichkeit zu finden, mein Vorhaben weiter auszubauen und zu etablieren.

Dorothea Perkusic
Einzel- und Paartherapie, Sexualtherapie

Hohenzollernstraße 46
83022 Rosenheim

Tel: 0175 – 5611171
www.dorothea-perkusic.de
e-mail: info@dorothea-perkusic.de

DORO'S U-21

Kiffen, Saufen, Porno – Liebe, Sex, Erwachsen-werden – die offene Sprechstunde für junge Menschen: Komm einfach vorbei, wenn du 21 oder jünger bist und sprich mit mir, du bist herzlich eingeladen.

DORO'S LOFT

KULTUR, EVENTS, YOGA & MEHR: wir lassen’s wieder anlaufen nach dem Corona Lockdown, das Leben geht weiter, auch in meinen Räumen im Zentrum von Rosenheim.