Dorothea Perkusic – Publikationen

Mein Freund schaut dauernd Pornos – auch beim Sex: Was soll ich tun?

In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können Sie Dorothea Perkusic unter dem Betreff „Liebesfragen“ Ihre Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Jeder Ratsuchende bekommt von der Einzel- und Paartherapeutin eine persönliche Antwort. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.

Zwei Frauen haben mir ähnliche Fragen gestellt, die ich hier zusammenfassend beantworte: 

Mein Freund und ich haben kaum noch Sex, er weicht mir völlig aus. Ständig erwische ich ihn dabei, wie er Pornos schaut. Wenn wir Sex haben, geht dies für ihn nur, wenn nebenbei ein Porno läuft. Er weicht mir völlig aus. Ich fühle mich betrogen und verletzt, denn er schaut Pornos so oft es nur geht. Wenn er allein ist oft mehrere Stunden. Manchmal habe ich das Gefühl, er versucht so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Wenn wir zum Beispiel einen schönen Abend mit Freunden verbringen, wird er unruhig, verschwindet länger auf der Toilette und zurück zu Hause, behauptet er noch arbeiten zu müssen und sitzt die ganze Nacht vor dem PC. Ich bin mir sicher, dass dies mit Arbeit nichts zu tun hat, auch wenn er einen sehr stressigen Job hat. Ich habe das Gefühl, dass er mich nicht mehr liebt oder ich ihm nicht reiche. Außerdem finde ich es nicht normal, dass er so getrieben ist. Wenn ich versuche mit ihm darüber zu reden, reagiert er genervt und behauptet, ich würde übertreiben. Ich bin verzweifelt, frustriert und besorgt und kurz davor, mich zu trennen. Was würden Sie mir raten?

Dorothea Perkusic:

Vielen Dank für diese Frage, die gerade in der heutigen, digitalen Zeit sehr relevant ist. Ich kann Ihre Verzweiflung und Frustration und nicht zuletzt auch Ihre Sorge gut verstehen. Sie wünschen sich eine glückliche und liebevolle Sexualität und erleben, dass Sie für die Sexualität Ihres Partners kaum wichtig sind und keine Aufmerksamkeit oder Interesse bekommen. Denn Ihr Freund ist zu sehr beschäftigt mit seinem getrieben-sein und der Beschaffung von Situationen und Material zu seiner Befriedigung. Dass er das Interesse an echter partnerschaftlicher Intimität und Sexualität verloren hat und dazu jedesmal Reize durch Pornos braucht, lässt auf eine Pornosucht schließen. 

Starke sexuelle Reize führen zur Ausschüttung von Dopamin

So wie Sie es beschreiben, hat sich Ihr Freund an starke sexuelle Reize gewöhnt und ist von diesen auch abhängig um sich zu erregen und zu befriedigen. Dies ist zu vergleichen mit jedem anderen Suchtverhalten. Wenn es zur Kompensation von Stress die Zigarette braucht, Alkohol, Zucker oder Einkaufen sowie jegliche andere Form der Ersatzbefriedigung und eine Regulation der Bedürfnisse anders nicht mehr möglich ist, sprechen wir von Sucht

Durch zum Beispiel starke sexuelle Reize wird im Körper Dopamin ausgeschüttet, ein Botenstoff im Gehirn, der Glücks- und Lustgefühle erzeugt. Der Kick im Gehirn der dadurch entsteht, kann süchtig machen. Wenn es einem Menschen nicht mehr gelingt, Glück über andere Dinge und in anderen Lebensbereichen zu empfinden, entsteht eine Abhängigkeit und es braucht immer mehr von der Droge. Sie stehen damit in der Sexualität Ihres Partners nicht mehr an erster Stelle so wie Sie es sich wünschen, sondern die Intimität mit Ihnen reicht ihm dann nicht mehr aus. Das ist verständlicherweise für Sie nicht nur unbefriedigend, sondern verstörend und verletzend. 

Die ständige Beschäftigung mit Pornos führt dazu, dass Menschen teils jegliches Interesse an anderen Formen der Sexualität verlieren, es reicht ihnen einfach nicht. Wenn im Leben Ihres Freundes erfüllende Hobbys und persönliche Kontakte fehlen oder viel Stress vorhanden ist, fokussiert er sich auf das, was ihm Glücksgefühle beschert und woran er sich gewöhnt hat und das sind in diesem Fall Pornos. Dafür werden folglich alle Lebensbereiche vernachlässigt, die weniger befriedigend sind und das wird zur Abwärtsspirale und folglich zum Problem. 

Wie können Sie also vorgehen?

Was Sie persönlich betrifft ist es so, dass Sie leider nichts für ihn tun können, außer ihm in aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass er und damit auch Sie ein Problem haben und die Sache beim Namen zu nennen. Sich das einzugestehen um mit professioneller Hilfe etwas verändern zu können, müssen Betroffene selbst. Dafür gibt es Beratungsstellen, Therapeuten die darauf spezialisiert sind und auch Kliniken.

Überlegen Sie, ob Sie selbst auch Hilfe brauchen, denn damit weiterzuleben kostet Sie auf Dauer zu viel. Auch eine begleitende Paartherapie kann hilfreich sein. Die Bereitschaft Hilfe anzunehmen und sich dem Problem zu stellen, muss jedoch in erster Linie von Ihrem Partner kommen. Überprüfen Sie Ihre Erwartungen und Bedürfnisse und was nötig ist, damit Sie an der Beziehung festhalten können und stellen Sie ihm ein Ultimatum. Wenn er sich querstellt und abblockt, ist es an Ihnen zu reagieren. 

Für alle die mehr zum Thema Sex- und Pornosucht und die Auswirkungen der Digitalisierung auf Beziehungen und Sexualität erfahren möchten, empfehle ich das Buch „Scharfstellung“ meiner Kollegin Dr. Heike Melzer, die sich in ihrer Praxis in München auf diese Bereiche spezialisiert hat.

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Kiffen, Saufen, Porno – Liebe, Sex, Erwachsen-werden – die offene Sprechstunde für junge Menschen: Komm einfach vorbei, wenn du 21 oder jünger bist und sprich mit mir, du bist herzlich eingeladen.

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