In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können Sie Dorothea Perkusic unter dem Betreff „Liebesfragen“ Ihre Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Jeder Ratsuchende bekommt von der Einzel- und Paartherapeutin eine persönliche Antwort. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.
Meine Frau und ich sind seit 24 Jahren verheiratet. Wir haben zwei erwachsene Kinder. Unser Beziehungsleben war schon immer sehr bewegt, im Guten wie im Schlechten. Wir haben uns schon immer viel aneinander gerieben. Obwohl ich mir eigentlich ein Leben ohne meine Frau nicht vorstellen kann, bin ich irgendwie müde von unserer Beziehung. Alles ist immer so anstrengend und mühsam. Dafür ist keinem von uns die Schuld zu geben. Meine Frau ist genauso bemüht wie ich und doch frisst uns der Alltag und unsere Differenzen lähmen uns. Ich bin wie gesagt müde und vermisse das Gefühl von Vitalität, Leichtigkeit und Lebensfreude. Irgendwie ist das Klagen auf hohem Niveau. Und doch vereinnahmt mich dieses Empfinden mehr und mehr. Ich bin mir nicht sicher ob ich mich trennen sollte. Damit zerplatzen allerdings erstmal all meine Lebensträume und das, wofür ich mich aus Überzeugung engagiert habe. Meine Frau ahnt nichts von meinen Überlegungen. Ich habe das Gefühl, alles getan zu haben, um etwas zu verändern. Was würden Sie mir raten?
Dorothea Perkusic:
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich kann Ihre Erschöpfung beim Lesen richtiggehend spüren und Ihre Ratlosigkeit nachvollziehen. Viele Paare geraten früher oder später an diesen Punkt. Zumindest sofern sie sich diese Gedanken zu- und Gefühle eingestehen. Paarbeziehungen verändern sich im Laufe der Zeit und Krisen lassen sich nicht vermeiden. Harmonie im Zusammenleben zu bewahren ohne, dass es langweilig wird, ist streckenweise eine Herausforderung, jedoch keine Unmöglichkeit.
Berufliche Aspekte und Wohlergehen der Familie
Es gibt viele Gründe und Faktoren dafür, weshalb sich Paare im Laufe der Zeit auseinanderleben und aus den Augen verlieren, was Ihnen tatsächlich einst wichtig war und heute wichtig ist. Wir kümmern uns um wichtige berufliche Aspekte und das Wohlergehen der Familie, was häufig so viel Raum einnimmt, dass für die Liebe kaum noch Platz zu bleiben scheint. Wenn alles im Modus des Aufbaus ist, baut die Liebesbeziehung zu einander leider manchmal durch notgedrungene Vernachlässigung und einen verschobenen Fokus ab. Nachdem die Liebe unser Fundament ist, ist es umso wichtiger, dieser Ebene und Basis die Aufmerksamkeit zu schenken, der es bedarf. Und das ist individuell ganz verschieden.
In Ihrem Fall scheint mir, so wie ich es lese, eine Trennung nicht zwangsläufig die beste Lösung. Zumindest habe ich das Gefühl, dass Sie vermuten, dass es noch Optionen geben könnte, in ein „erfrischenderes“ Miteinander zu kommen und Sie nur nicht mehr weiter wissen und sich in Ihrer Stagnation zurückgezogen haben. Und dafür gibt es Lösungsansätze, auch wenn Sie diese gerade nicht sehen und Ihnen der Zugang fehlt. Zumal Ihnen der Wert Ihrer Verbindung und auch der Familie sehr Bewusst zu sein scheint. Ich möchte trotzdem gerne zu Ihrem Trennungsgedanken Bezug nehmen. Wovon müssten Sie sich trennen, um eine deutliche Verbesserung zu erzielen? Ist es nach Ihrem Gefühl und Ihrer Einschätzung wirklich Ihre Frau oder könnten es Gegebenheiten, Gewohnheiten, Muster sein, von denen Sie sich trennen müssten? Trennungen erfolgen, um Platz für Neues zu schaffen. Was ist es Neues, das in Ihrem Leben und Alltag Raum kriegen müsste, damit Sie glücklicher und weniger erschöpft und Resigniert wären? Sie haben es bereits in Ihrer Frage genannt: Leichtigkeit, Unbeschwertheit, Lebensfreude, Vitalität.
Verschweigen der unangenehmen Realität
Ich möchte Ihnen raten, mit Ihrer Frau ganz offen über Ihre Gedanken und Gefühle zu sprechen. Wahrscheinlich geht es ihr ähnlich. Durch ihr Verschweigen schützen Sie sie also vielleicht nicht vor der unangenehmen Realität, sondern vielleicht befreien Sie sie, da Sie sich möglicherweise ähnlich fühlt und nur noch bestmöglich funktioniert. So könnten Sie gemeinsam herausfinden, ob Sie beide noch Licht am Ende des Tunnels sehen und sich gegebenenfalls Hilfe holen, um andere Perspektiven zu gewinnen. Es braucht nun Engagement von Ihnen beiden und zwar in der Form, wie Sie es bisher nicht bringen konnten. Und zwar nicht, weil Sie es nicht können, sondern weil wir uns meist alle in einem jeweils ähnlichen Beziehungsradius bewegen und selten so richtig über unseren eigenen Tellerrand hinausblicken können. Dazu ist wichtig, die jeweils eigenen Standpunkte und Bedürfnisse zu reflektieren. Haben Sie Ihre Liebesbeziehung im Trubel des Alltags und Familienlebens vernachlässigt?
Dann kann es mit etwas Anstrengung möglich sein, Ihre Partnerschaft wieder zu beleben und neu zu befeuern. Haben Sie noch Lust, sich einander zuzuwenden und respektieren Sie einander? Wie gut sind Sie darin, Kompromisse zu schließen, ohne dass Sie beide dafür Ihre Träume frustriert aufgeben müssen? In welchen Einstellungen stimmen Sie überein? Haben Sie gemeinsame Rituale, die Ihnen etwas bedeuten oder die Ihnen früher etwas bedeutet haben? Was sind Ihre Träume und Ziele? Schauen Sie mal, welche gemeinsamen Bedürfnisse, Gedanken und Visionen sich dabei finden. Träumen Sie und spinnen Sie ein bisschen miteinander herum wie Welpen. Und dann starten Sie nach vorne in dem Sie sich Ziele stecken, die Sie nach und nach aber zielgerichtet miteinander angehen und erreichen. So kommen Sie wieder zu Erfolgserlebnissen und gleich wird alles leichter. Nur Mut und volle Fahrt voraus!