Dorothea Perkusic – Publikationen

Ich spüre beim Sex entweder nichts oder habe Schmerzen – Kann dies mit einer früheren Vergewaltigung zusammenhängen?

In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können Sie Dorothea Perkusic unter dem Betreff „Liebesfragen“ Ihre Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Jeder Ratsuchende bekommt von der Einzel- und Paartherapeutin eine persönliche Antwort. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.

Die heutige Frage:

Ich habe beim Sex entweder Schmerzen, oder ich spüre einfach gar nichts. Mein Partner und ich haben schon alles mögliche ausprobiert, jedoch zwecklos. Ich habe Angst, dass dies mit meinem ersten Mal zusammenhängt, da ich damals vergewaltigt worden bin. Dies waren solch höllische Schmerzen, dass ich Sorge habe, dass nun vielleicht etwas kaputt sein könnte?

Dorothea Perkusic:

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Frage. Mit den Folgen sexueller Gewalt und den Auswirkungen auf die Sexualität umzugehen, ist leider ein häufiges Thema, das viele Frauen und auch Männer betrifft. Dass Ihr Körper genau so reagiert ist absolut verständlich nach der schrecklichen Erfahrung die Sie machen mussten.

Ich denke nicht, dass Ihre Schmerzen darauf beruhen, dass etwas körperlich kaputt ist bei Ihnen, wie Sie befürchten. Zu Ihrer Beruhigung können Sie jedoch wenn Sie möchten eine einfühlsame Ärztin hinzuzuziehen, um organische Ursachen sicher ausschließen zu können.

Unser Gedächtnis speichert alle Erinnerungen und Gefühle ab

Unser Gedächtnis und auch unser feinstoffliches Körpergedächtnis speichern alle Erinnerungen und Gefühle ab. Die guten und schönen, wie auch die schlechten. Sie haben etwas erlebt, was so schlimm war, dass es nicht mehr erträglich für Sie war. Sie wurden verletzt und gedemütigt und waren dieser Situation schutzlos, hilflos und voller Angst ausgesetzt.

Oft setzt in solchen Situationen ein Schutzmechanismus ein. Das nennt man Dissoziation. Das Empfinden spaltet und kapselt sich ab um zu dem Erlebten Distanz zu schaffen. Wir verschwinden sozusagen mit unserem bewussten Erleben aus der unerträglichen Situation, um überleben zu können.

Dies geschieht ganz automatisch und sichert unser Überleben. Betroffene sind wie gelähmt und erstarrt. Selbst wenn sich unser Kopf dann nicht mehr an jedes schreckliche Detail erinnern kann, unser Körper tut es.

Ihr Körper und Ihre Seele haben bei der damaligen Vergewaltigung auf taub geschaltet um die Gewalt nicht in voller Dimension fühlen und ertragen zu müssen. In der (Körper-)Erinnerung bleibt Sex dann als etwas schmerzhaftes und etwas, was nicht gefühlt werden will abgespeichert.

Sexuelle Gewalt prägt einen Menschen nachhaltig 

Auch lange danach und auch in Situationen wie Ihrer, mit einem Partner dem Sie vertrauen und mit dem Sie sich grundsätzlich wohlfühlen, reichen manchmal Kleinigkeiten aus, automatisch die Gefühle von damals hervorzurufen. Zum Beispiel Angst, Ekel, Bewegungslosigkeit und Starre, Ohnmacht und Schmerz. Manche Menschen spüren gar nichts mehr. Ihre Gefühle und Ihre Wahrnehmung spalten sich von der Situation ab.

Menschen, die sexualisierte Gewalt erfahren mussten, sind von den Übergriffen meist nachhaltig geprägt. Das Verhältnis zur eigenen Lust, dem Körper ist häufig gestört, so dass der Bezug zur eigenen Lust verloren geht. Sex wurde als etwas gefährliches, angstvolles, demütigendes, schreckliches, bedrohliches und schmerzhaftes erlebt und genau so abgespeichert.

Lust bedeutet dadurch Gefahr, eine erneute Verletzung zu erleben. Dieser Alarm springt an, sobald etwas daran erinnert, was triggert. Das können Geräusche Sein, Gerüche, Bilder. Dies versetzt Betroffene, ob sie wollen oder nicht, wieder in das negative Erleben. Es ist wie eine Schattenwelt.

Das Wichtigste: 

Nehmen Sie Ihre Empfindungen und die Signale Ihres Körpers und Ihrer Seele IMMER ernst und übergehen Sie diese nicht. Denn diese Schutzreaktionen liessen Sie damals überleben.

Seien Sie liebevoll und verständnisvoll mit sich und versuchen Sie nicht, sich zu etwas durchzuringen oder etwas auszuhalten. Sprechen Sie mit Ihrem Partner darüber. Das ist wichtig, damit er Bescheid weiß, verständnisvoll und einfühlsam mit Ihnen umgehen kann und Sie ihm vertrauen können.

Auf einer rein verbalen Ebene, lässt sich Ihr Problem nicht lösen. Bei Traumata braucht es unterstützende körperorientierte Prozesse um das Erlebte bearbeiten zu können. Ich würde Ihnen empfehlen sich, wenn Sie soweit sind, eine gute Traumtherapeutin zu suchen, die mit dieser Art der Therapie vertraut ist.

Ihr Körper gehört Ihnen und es ist möglich, wieder ein liebevolles und spürendes Verhältnis zu ihm aufzubauen um lustvoll Berührungen zulassen und genießen zu können. Dafür müssen Sie Ihre Grenzen achtsam respektieren und berücksichtigen.

Nehmen Sie sich die Zeit die Sie brauchen für Ihre Entwicklung, um nach und nach zu Ihrem Körper und Ihrer Seele zurückfinden und Ihrer Sexualität Raum zur Entfaltung zu schaffen. Einfühlsam und liebevoll, unter verständnisvoller und behutsamer Wahrnehmung und Achtung Ihrer Grenzen.

Gehen Sie ganz langsam, schauen Sie was genau wann für Sie in Ordnung ist, was Sie zulassen und genießen können und wann etwas zu viel wird. Was ist angenehm und wann verkrampfen Sie oder hören auf zu atmen.

Führen Sie Ihren Partner und gehen Sie in eine aufrichtige Verbindung zu ihm, damit Sie sich sicher fühlen können. Schritt für Schritt in Ihrem Tempo.

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