Dorothea Perkusic – Publikationen

Liebesfragen: Wie weit geht man für die Liebe bis man anfängt, sich selbst aufzugeben?

In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können Sie Dorothea Perkusic unter dem Betreff „Liebesfragen“ Ihre Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Jeder Ratsuchende bekommt von der Einzel- und Paartherapeutin eine persönliche Antwort. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.

Die heutige Frage eines Mannes:

Mein Mann und ich sind seit zehn Jahren ein Paar. Wir haben zwei Kinder und eine ziemlich bewegte Beziehungsgeschichte. Bei meinem Mann war beruflich immer viel los, er hat ein großes Unternehmen aufgebaut, während ich mich um Haushalt und Kinder kümmere, was mir an sich große Freude macht. Das Problem ist, wenn er am Wochenende nach Hause kommt, ist er fix und fertig und hat wenig Lust etwas zu unternehmen oder Freunde einzuladen oder dergleichen. Für mich ist es hingegen so, dass ich nach den Wochenenden, wenn er da ist lechze. Immer in der Hoffnung, dass wir dann gemeinsam schöne Dinge erleben, mal rauskommen.

Ich verstehe sein Bedürfnis nach Ruhe und richte mich meistens danach, indem ich uns zu Hause alles schön mache. Aber ich bleibe dabei mit meinen Bedürfnissen komplett auf der Strecke. Unser Freundeskreis wird immer kleiner und wir leben immer zurückgezogener. Ich habe so langsam das Gefühl, ich gebe mich immer mehr selbst auf, denn ich mache fast ausschließlich alles für unsere Kinder meinen Mann. Wie kann ich, ohne rücksichtslos zu sein, etwas mehr auf meine Bedürfnisse bestehen? Gebe ich mich so bereits selbst auf?

Dorothea Perkusic:

Ich kann Ihre Situation sehr gut nachvollziehen und auch Ihren innerlichen Konflikt mit den unausgesprochenen Fragen wie „darf ich diese Ansprüche überhaupt stellen?“, „sollte ich nicht zufrieden sein“, „bin ich rücksichtslos?“. Sie dürfen und Sie sollen Ansprüche stellen, auch wenn Sie grundsätzlich zufrieden sind. Allein darin liegt schon Verständnis und Wertschätzung. Und nein, Sie sind keineswegs rücksichtslos, wenn Sie auch auf sich achten und Wünsche darüber äußern, was Sie als Ausgleich brauchen! Es ist wichtig, dass Sie auch für sich sorgen.

Ich verstehe Ihr Schreiben so, dass es Ihnen nicht darum geht, neue Lebensbereiche für sich zu erschließen oder, dass Sie gerne arbeiten gehen würden und Ihr Mann Ihnen dabei im Weg steht. Sondern Sie wünschen sich bei der bestehenden Rollenverteilung in Ihrer Beziehung, die Sie grundsätzlich glücklich macht, mehr Qualität in der gemeinsamen Zeit und mehr Umsetzung Ihrer Vorstellungen davon und das ist völlig legitim.

Die Frage, ab wann es Selbstaufgabe ist, sich in Beziehungen gewissen bestehenden Umständen anzupassen, ist nicht so pauschal zu beantworten. Aus Ihren Worten schließe ich jedoch, dass Sie sich an der Grenze dessen fühlen. Wobei es Ihnen nicht um Eigenständigkeit zu gehen scheint, sondern um Gemeinsamkeit. Eine Beziehung sollte eine Zugewinn sein. Wenn Sie das Gefühl haben etwas oder sich selbst darin zu verlieren, lohnt sich ein genauerer Blick darauf.

Fragen mit denen Sie für sich abklären können, ob Sie sich selbst aufgegeben haben oder sich in einer emotionalen Abhängigkeit befinden wären zum Beispiel:

  • Trifft Ihr Partner alle Entscheidungen für Sie und können Sie schwer „nein“ sagen? – Empfinden Sie die Beziehung sehr oft als zu anstrengend, wollen sich aber auf keinen Fall trennen?
  • Haben Sie einen eigenen Freundeskreis und pflegen diese Kontakte oder dreht sich alles nur um Ihren Partner und die Familie?
  • Machen Sie sich von der Meinung anderer Menschen abhängig und wie wichtig ist es Ihnen, was andere über Sie denken?
  • Verfallen Sie in Panik, wenn Sie sich vorstellen, von Ihrem Mann getrennt zu sein oder Dinge allein entscheiden und tun zu müssen?

In manchen Lebensabschnitten und -situationen ist es angenehm, wenn der Partner alle Entscheidungen trifft und einen Rhythmus vorgibt, was für diesen allerdings auch anstrengend sein kann. Damit geraten Beziehungen auf die Dauer aus dem Gleichgewicht.

Bei Ihnen scheint es an der Zeit zu sein, sich mit Ihren Bedürfnissen ehrlich zu zeigen und eine Veränderung anzustreben. Nehmen Sie Ihr Leben in die Hand! Sie werden nicht drumherum kommen, mit Ihrem Mann darüber in Ruhe zu sprechen. Solange Sie sich nicht selbst verleugnen, sondern sich Ihre Bedürfnisse eingestehen und diese auch kommunizieren, verbiegen Sie sich auch nicht. Allerdings kann die Grenze zwischen einem Kompromiss und notwendiger Anpassung hin zur Überanpassung fließend sein. Bis jetzt scheint Ihr Lebensmodell für Sie gut gewesen zu sein. Nun scheint es an der Zeit, ein paar Kleinigkeiten zu verändern.

Vielleicht ist Ihrem Mann gar nicht so bewusst, wie sehr Sie manches vermissen. Der Konflikt, in dem Sie sich befinden, betrifft nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Denn auch Männer verwirklichen sich im Job nicht nur selbst, sondern geben sich und ihre Bedürfnisse manchmal fast auf, um die Familie ernähren, einen sicheren Lebensstandard bieten und dem Druck standhalten zu können.

Teilen Sie Ihrem Mann in Ruhe und deutlich mit, was Sie vermissen und brauchen und entscheiden Sie dann gemeinsam, welche Übereinkünfte und Kompromisse Ihnen beiden möglich sind.

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