In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können Sie Dorothea Perkusic unter dem Betreff „Liebesfragen“ Ihre Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Jeder Ratsuchende bekommt von der Einzel- und Paartherapeutin eine persönliche Antwort. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.
Die heutige Frage einer Frau:
Ich habe seit 1,5 Jahren eine Beziehung mit einem Mann von dem ich vermute, dass er Bindungsangst hat. Wir sind beide um die 30 und wohnen nicht weit voneinander. Immer wenn es gut läuft und sich alles eingespielt hat, gibt es einen Punkt, an dem wieder schleichend alles weniger wird. Wir sehen uns weniger, er meldet sich immer weniger, bis irgendwann kaum noch. Zärtlichkeiten und selbst einfache Berührungen werden dann immer weniger, bis wirklich alles erstarrt. Entweder trennen wir uns dann für ein paar Tage oder es herrscht Funkstille. Und dann kommt er wieder aus seiner Höhle und alles beginnt von vorne. Ich wäre für einen Ratschlag sehr dankbar. Gibt es einen Weg, diesen Kreislauf zu durchbrechen?
Dorothea Perkusic:
Da stecken Sie in einem wirklich anstrengenden und aufreibenden Beziehungsmodell.Es gibt viele Menschen, die an Bindungsangst leiden. Nähe und Intimität wird mit Gefahr verbunden und auch so empfunden. Wenn an Stelle von Glücksgefühlen, dem Bedürfnis nach Zweisamkeit und einer langfristigen, engen Beziehung Ängste, Stress und regelrecht Panik entstehen, dann sprechen wir von Bindungsangst oder Liebesphobie. Diesen Menschen fällt es schwer, stabile Beziehungen aufzubauen und emotionale / körperliche Nähe zuzulassen. Dies obwohl der Wunsch nach lieben und geliebt werden sehnlich vorhanden ist.
Die Ursachen hierfür liegen meist in früheren oder frühkindlichen negativen Erfahrungen. Enttäuschungen und Verletzungen, nicht aufgearbeitete Traumata und Missbrauch können dahinter stehen. An irgendeiner Stelle wurde das Vertrauen in Menschen, in die Liebe erschüttert. Die Angst das noch einmal zu erleben ist dann meist größer, als das Bedürfnis nach Liebe und Nähe. Die schlechten Erfahrungen liegen dabei meist in der Kindheit, oft schon in den ersten Lebensjahren. In einer gestörten Beziehung zur Mutter, dem Vater oder beiden Elternteilen oder ausgelöst durch einen Verlust. Wenn die Sehnsucht nach Nähe, Geborgenheit und Bindung nicht erfüllt wurde und die Erfahrungen eher in der Zurückweisung und Vernachlässigung oder auch Überbehütung lagen, dann prägt dies nachhaltig.
Wer sich selbst durch diese Erfahrungen nicht als liebenswert erachtet und einen negativen Bezug zum Selbst-Wert hat, kann sich dann auch nicht vorstellen, der Liebe eines Partners wert zu sein.
Um eine Bindungsangst oder Beziehungsunfähigkeit heilen zu können, ist es zuerst mal wichtig, dass Betroffene ihr Problem selbst als solches definieren und erkennen. Meist ist den Betroffenen ihre Angst gar nicht bewusst. Sie fühlen sich einfach eingeengt oder überfordert und sehen Vermeidung und Flucht als einzige Lösung. Nähe und vertraute Beziehungen sind so von vornherein zum Scheitern verurteilt. Eine professionelle Therapie für eine nachhaltige Veränderung und Verbesserung ist dann sinnvoll. Denn das Aufarbeiten von negativen Erfahrungen um den Kreislauf durchbrechen zu können, gelingt nur selten allein.
Was können Sie also tun?
Durch das Spiel aus Nähe und Distanz können Sie sich nie sicher und gut aufgehoben in einer solchen Beziehung fühlen. Umso mehr steigert sich ihr Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung von Ihrem Partner. Genau das ist ein Teufelskreis, denn Sie leben in ständiger Angst und Unsicherheit. So laufen Sie dem was Sie suchen und damit Ihrem Partner hinterher und idealisieren ihn. Eine Garantie, dass es bleibt, wird es nicht geben, zumindest dann nicht, wenn Sie sich nicht mit der Thematik auseinandersetzen, bestenfalls gemeinsam.
Andernfalls haben Sie nur zwei Möglichkeiten: Entweder Sie trennen sich, oder Sie akzeptieren, dass Sie ihn nie ganz haben können. Hören Sie auf, an dieser toxischen Beziehung festzuhalten und befreien Sie sich. Dazu braucht es nicht zwangsläufig eine Trennung. Doch wenn Sie Ihren Partner gehen lassen können, verringern sich für ihn die Angst und der Druck. Eine Garantie, dass er dann bleibt, haben Sie damit jedoch noch nicht. Ihr Partner muss gewillt sein, daran zu arbeiten und sich seine Ängste einzugestehen, dann hat er eine realistische Chance auf Heilung. Er muss verstehen wollen, warum er flüchtet. So kann Vertrauen aufgebaut werden, Gefühle können geäußert und Grenzen gesetzt werden, damit Sie eine zufrieden stellende Beziehung führen können. Suchen Sie das Gespräch und suchen auch Sie sich gegebenenfalls Hilfe, um die Dynamik und ihr eigenes Muster besser verstehen und verändern zu können. Ich wünsche Ihnen alles Gute!