In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können Sie der Einzel- und Paartherapeutin Dorothea Perkusic Ihre Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.
Frage eines Paares:
Mein Lebensgefährte und ich sind seit einigen Jahren ein Paar und leben zusammen. In der Anfangsphase unserer Beziehung hatten wir wunderschönen Sex, der etwa zwei Jahre später und ein Jahr nachdem wir zusammengezogen waren abrupt, durch die plötzliche Impotenz meines Partners endete. Er beteuert mir stets seine tiefe Liebe zu mir und, dass es nicht an mir liegt.
Wir haben beide schmerzhafte Erfahrungen in der Vergangenheit gemacht und vor allem mein Partner, trägt einige Altlasten mit sich. Gerade das hat uns zu Beginn unserer Beziehung so stark verbunden und so gut getan, dass wir nicht genug voneinander bekamen. Wie können wir die Belastungen ausblenden und wie kann mein Mann wieder Lust bekommen?
Dorothea Perkusic:
Die Problematik scheint weniger in der Lust Ihres Partners zu liegen, sondern, so wie Sie es beschreiben, in den bestehenden (Alt-) Lasten die er zu tragen hat und die noch unbewältigt sind.
Gerade wenn sich Beziehungen festigen, gibt dies einerseits Sicherheit, andererseits kommt nach der anfänglichen Verliebtheit auch wieder zu Tage, was im Verborgenen geschlummert oder unterdrückt gefault hat. Die alten Belastungen vermischen sich mit den aktuellen und schon verweigert der Körper das Funktionieren. Die entscheidende Frage ist, welche erdrückenden Erfahrungen Ihr Partner machen musste, worin seine Ängste und Sorgen gründen und wie sich das mit dem bestehenden Alltag, seinem Selbstbild und ihrer Liebesbeziehung vermischt.
Häufig werden Erektionstörungen durch Stress hervorgerufen. Sozusagen als Protest gegen Leistungsdruck, welcher meist im Kopf entsteht. Emotionale Belastungen, Depressionen, Druck und insbesondere Ängste – all dies sind Lustkiller. Wenn wir nicht auf unsere Seele hören, reagiert unser Körper oder wie im Fall Ihres Partners, reagiert er eben nicht mehr, wie gefordert. Lust und damit auch die Erektion, entsteht im Kopf und negative Gefühle bremsen die Libido.
Sofern organische Ursachen einer erektilen Dysfunktion durch einen Besuch beim Urologen ausgeschlossen werden können, ist die Dysfunktion wie eine verschlüsselte Botschaft zu verstehen. Gerade bei Männern entsteht durch Potenzprobleme meist ein massives Selbstwertproblem und dies wird zu einem wahren Teufelskreis der zum Rückzug führt. Wo bei Frauen mit Hilfe von Einfühlungsvermögen und Gleitgel noch alles möglich sein kann, scheint die Männlichkeit zunächst deutlich beeinträchtigter. Dies ist jedoch ein Trugschluss, denn Sex ist soviel mehr, als funktionieren.
Ich empfehle, Hilfe bei einem Sexualtherapeuten zu suchen, denn mit guten Ratschlägen allein, wird dies nicht zu bewältigen sein. Diesen Schritt kann ihr Lebensgefährte allein tun, oder Sie gehen die Problematik gemeinsam an. Oft helfen schon ein paar gute Gespräche, der Ursache entlastend auf den Grund zu gehen.
Bis dahin: Geben Sie Ihrer gemeinsamen Sexualität wieder mehr Raum und nehmen Sie sich Zeit miteinander, Ihre Zweisamkeit zu genießen und eine andere Art der Nähe und Befriedigung zu genießen. Entschleunigen Sie, das ist gut für Körper, Geist und Seele. Guter Sex ist von so vielen Faktoren abhängig, eine Erektion ist dafür nicht zwangsläufig notwendig. So werden auch wieder Botenstoffe im Gehirn angekurbelt, die Glücks- und Lustgefühle miteinander hervorrufen und entstressen.
Wichtig sind Zärtlichkeiten, miteinander kuscheln, sich geborgen und wertgeschätzt fühlen. Sex muss und sollte nicht nach dem Prinzip „höher, weiter, schneller“ geschehen. Sie können sich gegenseitig liebevoll stimulieren und verwöhnen und herausfinden, wie es Ihnen geht, wenn Sie für den Moment eine andere Qualität finden und leben. Verführen Sie sich und bleiben Sie erotisch lebendig!