Dorothea Perkusic – Publikationen

Wie finde ich heraus, was ich beim Sex gerne hätte?

In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können Sie Dorothea Perkusic unter dem Betreff „Liebesfragen“ Ihre Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Jeder Ratsuchende bekommt von der Einzel- und Paartherapeutin eine persönliche Antwort. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.

Die heutige Frage einer Frau:

Ich habe in letzter Zeit viel über weibliche Sexualität gelesen. Ich bin 43 Jahre alt, verheiratet und Mutter. Ich weiß nicht, ob ich schonmal Sex hatte, wie ich ihn gerne hätte. Das hört sich vielleicht komisch an. Ich kann es nicht so richtig gut erklären. Das Problem ist, dass ich auch gar nicht genau weiß, wie ich ihn gerne haben könnte. Ich habe außer mit meinem Mann eigentlich keine nennenswerten Erfahrungen gemacht und kann deshalb auch nicht vergleichen. Ich mache es mit meinem Mann, so wie wir es eben machen beziehungsweise er. Nicht wirklich langweilig aber ehrlich gesagt geht es dabei immer mehr um ihn und das was er will. Und das ist eben schwierig, weil ich nicht weiß, was ich will. Das andere Problem ist auch, dass ich oft mit meinem Mann schlafe, obwohl ich gar keine Lust habe und eigentlich nicht will. Und wir reden nicht über Sex. Es ist mir peinlich und ich glaube wir schämen uns im Grunde genommen beide. Wie kann ich herausfinden, was ich will und wie kann ich meine Angst überwinden, darüber zu sprechen?

Dorothea Perkusic:

Vielen Dank für Ihre ehrliche Frage. Wenn es Ihnen generell nicht leicht fällt über Sex zu sprechen, ist es sicher ein großer Schritt für Sie gewesen, mir so offen zu schreiben und Worte dafür zu finden. Dass Sie sich nun getraut haben, dürfen Sie sich erst einmal selbst anerkennen. Ich finde es sehr mutig und stark!

Zunächst möchte ich Ihnen dringend raten, nie wieder Sex zu haben, wenn Sie „eigentlich“ gar nicht wollen und keine Lust haben. Sex sollte für Sie ausschließlich schön sein, so dass Sie sich öffnen und fallen lassen können. Wenn Sie Ihrer Möglichkeit für sich selbst einzustehen und auch sich selbst zu schützen nicht vertrauen können, wie wollen Sie dann Ihrem Mann vertrauen? So ist Sex nur ein Zugeständnis an ihn und weit davon entfernt, Sie glücklich zu machen. Trauen Sie sich, Ihre eigenen Vorlieben und eigene sexuelle Frequenz zu entwickeln und diese Stück für Stück genau so zu gestalten, wie es Ihnen gut tut und Freude macht. Wie Sie das am besten machen? Lernen Sie sich selbst und Ihren Körper kennen um herauszufinden, was Ihnen gut tut, was Sie schmunzeln lässt, Ihr Herz schneller schlagen lässt und was Ihre Phantasie beflügelt, denn das bestimmen allein Sie.

Beantworten Sie für sich ein paar Fragen:

  • Wie wichtig ist es Ihnen Sex zu haben und weshalb ist Sex für Sie wichtig?
  • Was mögen Sie beim Sex oder drumherum, vorher, nachher, währenddessen und was mögen Sie nicht?
  • Das was Sie bis jetzt erlebt haben, gibt Ihnen nicht viel also wie wäre es, wenn es gut für Sie ist?
  • Was bringt Sie in Stimmung, lässt Sie entspannen? Das muss nicht direkt gleich eine sexuelle Handlung sein. Es kann beginnen durch einen Duft, einen Blick, ein Bad, eine entspannende Massage, ein gutes Gespräch oder ein lustvolles Essen. Lust auf Sex oder mehr Sex entsteht nicht allein aus Berührung und Stimulation, sondern wird durch all unsere Sinne geweckt und durch diese auch verstärkt.

Was uns Lust macht, kann so facettenreich sein. Fokussieren Sie sich also auf Ihrer Entdeckungsreise nicht allein auf den sexuellen Akt an sich, sondern auch auf alles was Sie umgibt. Beobachten Sie sich selbst, seien Sie neugierig.

Erschaffen Sie Ihren eigenen Raum, nutzen Sie diesen Raum der Möglichkeiten und setzen Sie auch Ihre Grenzen. Sexualität ist nichts Kleines, Begrenztes, sie ist groß und weit und kann alles beinhalten, was Sie sich vorstellen.

Wenn Sie Regisseurin eines erotischen Films ganz nach Ihrem Geschmack und nach Ihren Ideen wären, was würden Sie gerne sehen und zeigen? Wie wäre die Atmosphäre, der Umgang miteinander, die Stimmung, wie wären die Lebensumstände der Personen? Welche Rolle würden Sie darin besetzen? Je mehr Klarheit und Sicherheit Sie für sich selbst gewinnen, umso leichter wird es Ihnen auch fallen, dies zu benennen und auszusprechen.

Und dann fassen Sie Mut, Ihren Mann, wie er Ihre gemeinsame Sexualität empfindet, was er meint, woran es liegt, dass Sie beide darüber so gar nicht sprechen. Wenn Ihnen das schwerfällt, dann schreiben Sie ihm doch, oder zeigen ihm die Liebesfrage als Einstieg. Ich könnte mir vorstellen, dass daraus etwas entstehen kann.

Viel Freude, Mut und einen neugierig, interessierten, liebevollen Umgang mit Ihnen selbst wünsche ich Ihnen!

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