Dorothea Perkusic – Publikationen

„Wie können wir streiten ohne uns zu zerfleischen?“

In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können Sie Dorothea Perkusic unter dem Betreff „Liebesfragen“ Ihre Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Jeder Ratsuchende bekommt von der Einzel- und Paartherapeutin eine persönliche Antwort. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.

Die heutige Frage einer Frau:

Mein Mann und ich streiten häufig. Es läuft immer nach einem ähnlichen Schema ab. Wir diskutieren ein Thema und irgendwann läuft es aus dem Ruder. Jeder will Recht haben, fühlt sich angegriffen und es ist ein einziges hin und her. Mein Problem, ich bin meinem Mann in Gesprächen einfach nicht gewachsen. Irgendwann verliere ich komplett den Überblick und weiß nicht mal mehr, worum es eigentlich ging. Er redet mich dann in Grund und Boden. Ich fühle mich dann total erschöpft, kenne mich gar nicht mehr aus und weine, was ihn zusätzlich nervt. Ich schaffe es einfach nicht, mit dem was ich ihm sagen möchte, auch bei im anzukommen. Eine Lösung ist dann so natürlich nie so richtig möglich. Ich habe einfach die Nase voll davon, mich immer bei Streitereien so klein zu fühlen. Ich trage sicher auch meinen Teil dazu bei. Wie können wir das verändern?

Dorothea Perkusic:

Kommunikationsprobleme dieser Art haben sehr viele Paare miteinander. Genau so, wie Sie es beschreiben, ist ein ein Kräfte zehrendes und zu keinem Ziel führendes Unterfangen. Denn es geht dabei irgendwann nicht mehr um einen Austausch, darum sich gegenseitig zuzuhören und ernst zu nehmen, und Meinungsverschiedenheiten konstruktiv zu lösen. Sondern die Gespräche arten in regelrechte Machtkämpfe aus und eskalieren. Dies führt zu Wut, Resignation, Verzweiflung und Traurigkeit. Und wer uns angreift und traurig macht, den empfinden wir als gemein, ziehen uns in der Folge zurück und wenden uns ab. Beim Kämpfen ist es immer gleich: einer wird verlieren oder zumindest bleiben beide Gegner verwundet und erschöpft zurück. Denn es ist kein Miteinander sondern ein Gegeneinander, wobei das jeweilige Ziel, ausgenommen recht zu haben, meist unklar und der Sachverhalt ungeklärt bleibt. Frustrierend und mitunter tödlich für die Liebesbeziehung. Dass Sie sich „kleiner“ fühlen ist die Konsequenz, wenn Sie sich Ihrem Mann in der Streitsituation argumentativ entweder nicht gewachsen fühlen oder während des Streits schon erschöpft aufgegeben haben, weil es Ihnen zu viel wurde.

Streiten will gelernt sein, Lieben auch! In jeder Beziehung gibt es Kontroversen und Reibungen. Und das ist auch gut so! Denn daran können wir wachsen und uns weiterentwickeln. Entwicklung findet nur dann statt, wenn wir andere Möglichkeiten, Meinungen und Haltungen zulassen, hinterfragen und anerkennen. Und es wäre doch langweilig, wenn wir uns immer in allen Dingen einig wären. Der Grundsatz ist: unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Meinungen. Konflikte sind also Normalität. Sonst würden innere Konflikte weiter gären und im Außen gäbe es keine Lösung.

Wenn Sie beide bemerken, dass Sie beim nächsten Gespräch wieder in einen solchen Strudel des Streits geraten, dann versuchen Sie zu stoppen. Besprechen Sie das vorab einmal in Ruhe miteinander. Denn ich gehe davon aus, dass auch Ihr Mann keine Lust mehr auf derlei Dispute hat und dies gerne ändern würde. Erklären Sie ihm ohne Vorwürfe, wie Sie sich fühlen und, dass Sie dann nicht mehr in der Lage sind, eine Lösung anzustreben. Das ist keine Schwäche sondern menschlich. Fragen Sie sich gemeinsam: „worum geht es uns?“ Was wäre für jeden von Ihnen das gewünschte Resultat? Überlegen Sie, ob es Ihnen um eine Einigung geht oder ob Sie siegen wollen. Oft ist der unausgesprochene Wunsch da, zu einer gleichen Meinung zu kommen. Dieser Wunsch ist nachvollziehbar, jedoch manchmal einfach unrealistisch. Genauso wie wir uns gegenseitig nicht immer verstehen können, auch wenn wir uns das noch so sehr wünschen würden.

Allzeitiges Verständnis und Meinungsgleichheit sind außerdem kein Zeichen für Liebe. Denn Liebe heißt, einander auch bei Differenzen zugewandt zu bleiben und die gegensätzlichen Ansichten zu respektieren. Eine Einigung kann dennoch erzielt werden. Dafür müssen Sie beide Kompromisse eingehen. Sagen Sie sich offen und fair die Meinung, ohne sich gegenseitig zu verletzen. Legen Sie vorher Ihr Thema fest, versuchen Sie sachlich und offen zu bleiben und weichen Sie nicht ab. Bleiben Sie auf Augenhöhe in Ihrer Argumentation. Die größte Gefahr sind dabei die Emotionen, also versuchen Sie diese im Zaum zu halten, auch wenn es Ihnen schwer fällt. Lassen Sie sich nicht provozieren, ein Streitgespräch ist kein Freifahrschein für Beleidigungen und Schläge unter die Gürtellinie. Bleiben Sie objektiv und bei der Sache. Bringen Sie positive Formulierungen ein anstatt negativer, anschuldigender Kritik. Und wenn es doch wieder einmal schiefgeht, verbinden Sie sich ganz bewusst wieder miteinander. Das muss nicht gleich Versöhnungssex sein, darf aber natürlich. Schauen Sie sich eine Weile in die Augen und schweigen Sie dabei, geben Sie sich einen Kuss oder reichen Sie sich die Hand. Das gibt Sicherheit und signalisiert „ich bleibe da und gehe nicht weg, ich bemühe mich weil Du mir wichtig bist“.

Die Kommunikation und das Fühlen zu hinterfragen und zu verändern braucht etwas Zeit, Übung und Disziplin. Erklären Sie das zu Ihrem gemeinsamen Ziel, um das Sie sich beide bemühen. Damit wird es nach und nach besser und Sie sind nicht nicht mehr Kontrahenten sondern Streitpartner die ein gemeinsames Interesse verfolgen. Und zwar nicht um gleicher Meinung zu sein, sondern im Frieden miteinander. So können Sie als Beziehungspartner daran reifen.

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