Dorothea Perkusic – Publikationen

Woran erkenne ich, ob ich mit einem Narzissten zusammen bin?

In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können Sie Dorothea Perkusic unter dem Betreff „Liebesfragen“ Ihre Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Jeder Ratsuchende bekommt von der Einzel- und Paartherapeutin eine persönliche Antwort. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.

Die heutige Liebesfrage:

Ich habe Ihre Antwort auf eine der letzten Liebesfragen über toxische Beziehungen gelesen und ich glaube ich bin selbst in einer. Ich habe ein wenig zu diesem Thema recherchiert. Woran erkenne ich, ob ich mit einem Narzissten zusammen bin?

Wir sind erst seit einem Jahr ein Paar. Richtig glücklich bin ich nicht, es ist ein ständiges auf und ab. Mal ist er der tollste Mann den ich je kennengelernt habe, total charismatisch und witzig, zuvorkommend, liest mir jeden Wunsch von den Augen ab. Wenn ihm etwas nicht passt oder er nicht im Mittelpunkt steht, dann zeigt er wirklich hässliche Seiten, wertet mich ab, belächelt oder ignoriert mich.

Ich habe mehr und mehr das Gefühl, dass ich aus der Beziehung so schnell wie möglich wieder raus muss, was mir extrem schwer fällt, da eben vieles auch so toll ist, wie ich es noch nie mit einem Mann hatte. Wie sehen Sie das?

Dorothea Perkusic:

Im Grunde haben Sie sich Ihre Frage bereits selbst beantwortet. So wie Sie Ihre Beziehung und Ihren Partner beschreiben, haben Sie es bereits mit einigen typischen Merkmalen von Narzissmus zu tun. Grundsätzlich sehe ich es vorweg gesagt so, dass Sie auf Ihr Gefühl hören sollten. Wenn dieses also ist, schnellstmöglich aus der Beziehung raus zu müssen, sollten Sie diesem Reflex zur Flucht und eigenen Rettung unbedingt Beachtung schenken! Zunächst müssen wir zwischen den verschiedenen Arten von Narzissmus unterscheiden.

Außerdem möchte ich betonen, dass toxisches Verhalten in Beziehungen nicht automatisch auch Narzissmus bedeutet. Ein gewisses Maß an gesundem Narzissmus braucht nämlich jeder Mensch, um ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Die Frage ist, ob und ab wann dieses gesunde Maß ungesund und schädigend wird und da können die Grenzen fließend sein.

Es gibt verschiedene Typen von negativem Narzissmus. In Kürze: Den offenen pathologischen Narzissmus und den sekundären, verdeckten Narzissmus. Diese beiden Typen möchte ich wie folgt erklären: Der pathologische Narzissmus ist die narzisstische Persönlichkeitsstörung. Die Betroffenen sind meist deutlich zu erkennen. Sie haben ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit, idealisieren sich selbst und verlangen unablässig nach Bewunderung, Anerkennung und Bestätigung ihres Erfolges, der Schönheit, Einzigartigkeit oder Macht.

Sie erwarten bevorzugt behandelt zu werden. In Beziehungen sind sie ausbeuterisch und versuchen aus anderen einen persönlichen Nutzen zu ziehen um die eigenen Ziele zu erreichen. Dafür werden Beziehungspartner manipuliert und abgewertet und in Abhängigkeit klein gehalten. Narzissten mangelt es an Empathie und sie sind überheblich, egozentrisch, eigennützig, überschätzen sich selbst, brauchen ständig Applaus, vertragen keine Kritik weil sie sich in der eigenen Großartigkeit und ihrer Besserwisserei nicht herabsetzen lassen.

Letztlich interessiert sich der Narzisst nicht wirklich für andere Menschen, Partner/innen sind eher ein Instrument bis hin zur Gemeinheit und Bösartigkeit.

Narzissten werten sich über ihre Partner/innen auf, sind für sie da um sie dann schnell wieder tief hinab zu stoßen. Danach helfen sie ihnen wieder auf die Beine – großartig – und das Spiel beginnt von vorn. Bekannte Beispiele: Trump, Berlusconi, Christian Ronaldo oder auch Coco Chanel. Der sekundäre oder auch verdeckte Narzissmus ist etwas schwerer zu enttarnen, wie die Bezeichnung bereits verrät.

Umso gefährlicher: Verdeckte Narzissten

Damit jedoch umso gefährlicher. Die verdeckten Narzissten meinen es ständig „nur gut“ und darunter lässt sich vieles verdecken. Sie treten mitunter geradezu schüchtern auf, ängstlich, depressiv, philosophisch oder verschämt und charmant, was im ersten Moment keine typischen Charakteristika des Narzissmus sind. Verdeckte Narzissten wollen als gute Menschen erkannt werden und suchen unerbittlich nach dieser Bestätigung, auch wenn es im ersten Moment nicht so wirken mag.

Diese Menschen tun sich schwer, sich in andere einzufühlen und schaffen es kaum, eine aufrichtige, emotionale Verbindung zu ihrem Gegenüber aufzubauen, geschweige denn auf Augenhöhe zu sein. Oft sind sie passiv-aggressiv, sozusagen ein Wolf im Schafspelz.

Vor dieser unterdrückten Wut sollte man sich in Acht nehmen. Sie lügen, verdrehen, „das hast du total falsch verstanden“, spinnen sich Geschichten zusammen und irritieren ihr Gegenüber damit, bis der andere sich gar nicht mehr auskennt und erschöpft/verwundet den Rückzug antritt. Sie sind neidisch, denken aber auch, dass andere auf sie neidisch sind. Sie übernehmen kaum Verantwortung für sich selbst, ihre Gefühle und ihr Unglück.

Die Schuld wird bei den anderen gesucht, häufig mit der Frage nach deren Anteil an der Misere, den es allerdings nicht gibt. Damit wird nur von der eigenen Verantwortung für die Situation abgelenkt. Sie sind Opfer und können sich kaum entschuldigen. Sie wollen immer Recht haben, wissen alles besser. Diskussionen sind ein Fass ohne Boden. Sie übertragen die eigenen negativen Gefühle auf ihr Gegenüber, sowie die Schuld und fordern heraus, sich zu kümmern und Rücksicht zu nehmen. Jeder Schritt auf den/die Partner/in zu, verfolgt einen Zweck etwas dafür zu bekommen, Charme, Entschuldigungen, Zugeständnisse, usw. erwarten einen eigenen Vorteil in Form von Zuneigung, Sex, „Verständnis“.

Mittel zum Zweck: Beziehungspartner des Narzissten

In Kurzform: Beziehungspartner sind ein Stück weit immer Mittel zum Zweck. Der sekundäre Narzisst bleibt bis auf wenige Ausnahmen im Leben ein „Fähnchen im Wind“. Das gefährliche ist, dass dieser verdeckte narzisstische Typ einer der ungesündesten und schädlichsten Formen des Narzissmus ist, der man begegnen kann. Denn das Mitgefühl des Gegenübers wird über die eigenen Unzulänglichkeiten und die als feinfühlig und sensibel getarnte emotionale Verwundbarkeit aufgebaut. Dies endet in subtiler Manipulation, was oft erst spät bis gar nicht erkannt wird.

Auf die Ursachen einzugehen, würde hier den Rahmen sprengen. In Kürze: Grundlage ist ein niedriger Selbstwert, völlig anders als es erscheint. Wer wenig Liebe im Elternhaus erfahren hat, vernachlässigt wurde oder auch überbehütet und extrem verwöhnt, hat nicht gelernt, sich selbst realistisch einzuschätzen.

Zu betonen ist, dass es Narzissmus nicht nur bei Männern gibt, sondern auch bei Frauen. Jedoch äußert er sich auf unterschiedliche Art und Weise. Ich hoffe ich konnte Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen. Bitte zögern Sie nicht, sich Hilfe zu suchen, wenn Sie in dieser Beziehung zusehends Schaden nehmen oder reflektieren möchten.

Machen Sie sich frei, von allem was Ihnen nicht gut tut und denken Sie nie, dass Sie Schuld sind. Das sind Sie definitiv nicht, denn jeder Mensch muss für sein Handeln und den Umgang mit anderen Menschen eigenverantwortlich gerade stehen und Sie müssen dies nur für sich selbst! Das ist gesunder Egoismus und Selbstfürsorge, nicht zu verwechseln mit Aufopferung und Selbstaufgabe. Alles Gute für Sie!

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